„Wir brauchen dringend neue Gesetze“

Klimaschutz beginnt auf dem Acker – er endet aber keineswegs im Gemüseregal im Supermarkt. Ein Interview mit der Agrarwissenschafterin Elma Šalo.

Interview: Clemens Stachel Foto: Dar Salma

Frau Šalo, Sie arbeiten als Trainerin für Nachhaltigkeit und Umweltbewusstsein vor allem mit Jugendlichen zusammen. Stimmt der medial vermittelte Eindruck, dass dieses Thema die junge Generation brennend interessiert? Oder ist das vielleicht auch nur eine kleine, besonders politisierte Gruppe?

Die Klimakrise elektrisiert eine ganze Generation. Bei den jungen Menschen, mit denen ich zu tun habe, gibt es de facto niemanden, der oder die die Klimakrise in Abrede stellt. Wo sich die Jugendlichen aber klar unterscheiden, ist die Reaktion. Viele sind apathisch und sagen: „Was kann ich denn schon dagegen tun?“ Für mich fängt es aber genau hier an spannend zu werden – wenn ich dann mit den jungen Menschen in Interaktion trete und sage: „Gut, dann lass uns das mal gemeinsam aufarbeiten, und vielleicht findest du am Ende ja doch eine Aufgabe, der du nachgehen willst.“

Die Landwirtschaft ist einer der Hauptverursacher von Treibhausgasen. Doch wir Menschen müssen ja Lebensmittel produzieren – wie kommen wir also aus dem Dilemma raus?

Ja, in der landwirtschaftlichen Produktion werden große Mengen von Kohlendioxid, aber auch Methan und anderen Treibhausgasen ausgestoßen. Es ist aber grundsätzlich wichtig zu unterscheiden – handelt es sich um konventionelle oder biologische Landwirtschaft? Denn nicht jede Produktionsweise ist gleich schlecht fürs Klima. Eine Landwirtschaft, die ohne chemisch-synthetische Dünger und ohne Pflanzengifte auskommt, ist natürlich auch besser für die Umwelt. Wir brauchen also ganz klar mehr „bio“ auf den Äckern.

Wie ist es aus historischer Sicht überhaupt dazu gekommen, dass die Landwirtschaft so eine schlechte Klimabilanz hat?

Man könnte sagen, dass „biologische“ Landwirtschaft bis ins 19. Jahrhundert weltweit der Normalfall war. Allerdings bedeutete das auch immer wieder verheerende Ernteausfälle und Hungersnöte. Durch den Einsatz von Technologie und von Kunstdüngern hat sich die gesamte Landwirtschaft im 20. Jahrhundert industrialisiert. Die Erträge wurden so um ein Vielfaches gesteigert, Hungersnöte gemindert und viel mehr Menschen mit Lebensmitteln versorgt. Die Schattenseiten und die Langzeitfolgen dieser Industrialisierung haben wir aber erst in den letzten Jahrzehnten so richtig zu spüren bekommen. Die Auswirkungen auf die verschiedensten Ökosysteme weltweit sind massiv und wurden auch durch die Klimaberichte des Weltklimarates wissenschaftlich belegt.

Welche Auswirkungen sind das?

Der Biologe und Arzt Martin Grassberger schreibt in seinem Buch Das leise Sterben, dass jährlich 4.000 Tonnen Pflanzengifte allein auf Österreichs Felder aufgetragen werden. Das Ziel ist eine kurzfristige Massenproduktion. Die langfristigen Schäden sind jedoch bitter: ein ausgelaugter Boden, auf dem ohne Dünger gar nichts mehr wachsen würde, eine Verarmung der Biodiversität, Pestizidrückstände in Boden, Grundwasser und Lebensmitteln. Und natürlich das Insektensterben. Insektizide töten ja nicht nur Schädlinge, sondern auch viele andere Insekten wie Bienen oder Marienkäfer. Insekten bilden aber die Basis vieler Ökosysteme und sind wichtig für den Erhalt der Artenvielfalt. Das ist der Preis, den die Umwelt für eine kurzfristige Ertragsmaximierung zahlt.

Was kann aber der oder die Einzelne tun? Mehr biologisch produzierte Lebensmittel kaufen – und dann?

Selbstverständlich sollte ich beim Einkaufen das biologisch und wenn möglich auch regional produzierte Obst und Gemüse der konventionell hergestellten Ware vorziehen. Das ist nicht nur eine Frage des Geschmacks, sondern eben auch eine Frage der Artenvielfalt. Denn eine nachhaltige Bewirtschaftung der weltweiten Ackerflächen ist nun einmal die einzige Lösung. Unser Konsumverhalten allein wird aber nicht reichen, um dieses Ziel zu erreichen. Dafür sind auch dringend neue Gesetze notwendig, die eine rein profitorientierte Ausbeutung der natürlichen Ressourcen verhindern. Die großen Lebensmittelkonzerne und die Politik sind hier in der Verantwortung – und somit geht es natürlich auch darum, verantwortungsvolle Persönlichkeiten in die entsprechenden politischen Ämter zu wählen. Politisches Engagement auf der höheren Ebene und das persönliche Konsumverhalten des und der Einzelnen gehören zusammen.

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